Solidarität mit den Aufständischen im Iran
Am 13. September wurde die 22-jährige Mahsa Amini wegen eines nicht richtig sitzenden Kopftuchs von der iranischen Sittenpolizei festgenommen und anschließend totgeprügelt. Im ganzen Land brachen Proteste los, auf die der Staat mit Knüppeln, Schüssen und Verhaftungen reagierte. Die Zahl der getöteten Demonstranten wächst täglich. Konfrontiert mit der Heftigkeit des Widerstands appellierte der oberste Hassbotschafter der islamischen Republik, Ayatollah Ali Chamenei, in seiner Freitagspredigt am 23. September an die Wehrbereitschaft der treu ergebenen Untertanen, die mit Warnungen vor antimuslimischem Rassismus auch im Iran einfach zu ködern sind: »Es geht [den Protestierenden] darum, unsere Religion anzugreifen. Es geht ihnen darum, den Koran zu verbrennen und Moscheen anzuzünden. Es geht ihnen darum, das islamische Kopftuch abzuschaffen.«
Arsch auf Grundeis
So spricht einer, dem der Arsch auf Grundeis geht. Aus gutem Grund: Die Iraner, die sich unter Lebensgefahr dem staatlichen Repressionsapparat entgegenstellen, wollen tatsächlich das Ende der islamischen Despotie, die die Bevölkerung viel zu lange schon mit dem Koran und daraus abgeleiteten Vorschriften drangsaliert. Sie wollen nicht weniger als einen regime change. Im Zentrum der aktuellen Aufstände steht nicht zufällig das Kopftuch, dessen Abschaffung auch das historische Ende des Staatsapparats bedeuten würde, für den Chamenei hetzt. Die autoritäre Organisierung des Geschlechterverhältnisses und damit die Unterwerfung der als unheilbar sündhaft dämonisierten Frau stehen im Mittelpunkt seiner Herrschaft. Darauf zielt auch die kritische Parole »Frau, Leben, Freiheit«, die im Zuge internationaler Solidarisierungen in den zurückliegenden Tagen auch außerhalb des Iran aufgegriffen wurde: Der Kampf gegen das Kopftuch ist international, weil die unters Kopftuch Gezwungenen überall vergleichbares Elend und vergleichbare Ängste erleben. Die Machthaber im Iran reagieren deswegen so nervös auf Abweichungen vom hysterisch kontrollierten Normenkatalog, weil der Erfolg der islamischen Herrschaft sich wesentlich daran bemisst, wie reibungslos es gelingt, die Frauen in ihrem Machtbereich zu unterwerfen.
Feministen fürs Kopftuch
Aktuell werden die Proteste der Frauen und Männer in Deutschland wohlwollend bis überschwänglich kommentiert. Diese erfreuliche Tatsache sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht selten am Thema vorbeigetwittert wird. Woke Queerfeministen treibt der Wunsch um, die Proteste im Iran in ihr Gerödel gegen einen angeblich omnipräsenten Alltagssexismus zu integrieren. Unter dem Deckmantel einer allgemeinen Patriarchatskritik wird so die spezifische misogyne Gewalt der islamischen Menschenschinder zum Verschwinden gebracht – nicht selten durch Leute, die noch vor kurzem jede Kritik an der islamischen Frauen- und Mädchenverschleierung als islamophob abgekanzelt haben, und deren Problemchen im Kampf für Gender-Sterne und Quoten mit der Not der Frauen (und Männer) im Iran schlichtweg nichts zu schaffen haben.
In der Wochenzeitung Die Zeit etwa, wo man Islamophobie so scharf verurteilt wie in iranischen Moscheen, bemängelte Nour Khelifi gar, dass die Proteste »für sexistische und antimuslimische Zwecke instrumentalisiert« würden: Die vereinzelten Forderungen nach einem Kopftuchverbot seien »genauso[!] frauen- und freiheitsfeindlich wie der Kopftuchzwang im Iran. Die Befürworter:innen des Kopftuchverbots sehen es als ihre Aufgabe, muslimische Mädchen und Frauen zu beschützen – vor dem unterdrückenden Islam oder der Alltagsdiskriminierung. Nach dem Motto: Wer Kopftuch trägt und deswegen diskriminiert wird, ist selbst schuld. Diese Täter-Opfer-Umkehr erinnert an die Schuldzuweisung von Frauen, die sexuell missbraucht wurden, weil diese vermeintlich ›falsch angezogen‹ waren.«
Beunruhigend ist, dass solche kulturrelativistischen Verrenkungen zur Verteidigung der Verschleierung konstitutiver Bestandteil des politischen Bildungsprogramms der Bundesrepublik sind. Die etwa von der Bildungsstätte Anne Frank protegierten Empowerment-Muslimas, für die das Kopftuch »Freiheit« sei, tragen dabei viel effektiver zur Gewöhnung an islamische Zumutungen bei als bekennende Gewalttäter.
Schweigen über den Islam
Rückendeckung erhielt der Islam auch durch die Außenministerin Annalena Baerbock im Bundestag: »Wenn die Polizei, wie es scheint, eine Frau zu Tode prügelt, weil sie aus Sicht der Sittenwärter ihr Kopftuch nicht richtig trägt, dann hat das nichts, aber auch gar nichts[!] mit Religion oder Kultur zu tun.« Unabhängig davon, ob sie eigentlich darauf hinauswollte, dass keine Religion und keine Kultur herbeizitiert werden sollte, um solche Taten zu rechtfertigen: Um den Islam wird herumgeredet. Damit repräsentiert die Außenministerin den tonangebenden Teil der Bevölkerung. Der akademische Mittelstand ist gnadenlos pro-islamisch und bildet sich im Namen eines hohlen Antirassismus auch noch etwas darauf ein.
Man hat zwar lernen müssen, manifeste Gewalt und offenkundigen Zwang im Gewande eines frauenunterdrückenden Islamismus wenigstens ein bisschen kritisch zu sehen, aber feiert gleichzeitig die sogenannte freiwillige Verschleierung als Ausweis der eigenen Weltoffenheit. Diese Trennung funktioniert nur um den Preis einer Realitätsverleugnung: Ohne den orthodoxen Alltagsislam, das heißt ohne unterwerfungsbereite Korantreue, stupide Ehrfurcht vor Allah, Moscheen mit Verschwörungspredigten, den Mutterkitsch als Kehrseite des Frauenhasses und eine autoritäre Erziehung durch Westentaschenmohammeds gäbe es schlichtweg keinen Islamismus. Die iranische Staatsmacht hielt sich Jahrzehnte lang trotz enormer Gegnerschaft, weil der Alltagsislam das System stabilisiert.
Die Grünenpolitikerin Baerbock, deren Partei bislang nie durch Kritik am islamischen Regime aufgefallen war, will in erster Linie als gute Deutsche mit wohlfeilen Parolen reüssieren und lässt gleichzeitig jede Bereitschaft vermissen, irgendetwas den Menschen vor Ort konkret Helfendes zu liefern. Bereits in ihrer Absichtserklärung, eine »feministische Außenpolitik« gestalten zu wollen, schwingt der unverbesserliche Hang zur geschwätzigen Gesinnungspolitik mit. Ihr Politikverständnis kaschiert, dass es bei Außenpolitik um nationale Interessen- und Machtpolitik in der internationalen Konkurrenz geht, und dient vor allem dem Selbstgespräch der moralischen Supermacht Deutschland, das sich permanent an der Realität blamiert.
Was tun?
Selbstverständlich ist es allein vernünftig, den Iran auf allen Ebenen zu boykottieren und nach Möglichkeit zu schwächen. Doch bereits die laschen Sanktionsdrohungen aus Deutschland signalisieren Dialogbereitschaft, statt diese zugunsten einer gezielten Unterstützung der Opposition endlich einzustellen. Sanktionen, so Baerbock, wolle sie im Kreis der EU-Staaten auf den Weg bringen, »gerade jetzt, wo wir weiter über das JCPoA verhandeln«. Am Atomdeal soll wohl festgehalten werden. Dabei haben Sanktionen, die im Kontext jener Nuklearvereinbarung ohnehin einkalkuliert sind, keinen bremsenden Effekt auf die Ausweitung der iranischen »Nuklearaktivitäten«. Diese hat die deutsche Politik mitzuverantworten, weil sie nicht in der Lage ist, die Gefahr durch den Iran angemessen zu begreifen, und anscheinend kein Problem damit hat, von den Mullahs an der Nase herumgeführt zu werden.
Ein angemessener und das heißt delegitimierender, mithin verächtlichmachender Umgang mit den Mullahs setzt die Bereitschaft voraus, einen Konflikt zu provozieren, was jedoch schon durch das Beschweigen ihrer Ideologie hintertrieben wird. Überhaupt sind angesichts eines zivilisationsmüden Westens, der vor lauter Untergangsangst immer autoritärer agiert, Zweifel angebracht, ob seine Fürsprecher noch eine Ahnung davon haben, was es gegen den Iran substanziell vorzubringen gelte. Schon weil man schamlos dabei ist, alles abzuschaffen, was das Leben im Westen lebenswert macht und weil kaum noch jemand sagen kann, was es gegen wen zu verteidigen gilt, werden die Frontlinien undeutlicher.
Die Iranerinnen und Iraner, die gegen ihre Unterdrückung unter Einsatz ihres Lebens auf die Straße gehen, haben andere Probleme. Während man in Deutschland gelernt hat, die islamische Verschleierungspraxis als kulturelle Bereicherung stumpf zu feiern und allenfalls die gesetzliche Erzwingung der Verschleierung ablehnt, wissen Frauen im Iran genau, worum es geht: Sie wollen nicht nur ihre Kopftücher loswerden, sondern die ganze islamische Diktatur und Geschlechterapartheid. Möge Al Chameinis Angsttraum von der Abschaffung des Kopftuchs dereinst wahr werden. Nieder mit der islamischen Republik!
Thunder in Paradise