Dokumentation unserer Rede bei der Kundgebung des Frankfurter Bündnisses für Israel, die am 17.Februar 2024 auf dem Frankfurter Roßmarkt abgehalten wurde.
Das Lebenswerk von Beate und Serge Klarsfeld zeigt, dass Antifaschismus nicht zwangsläufig auf das Selbstdarstellungstheater hinauslaufen muss, das aktuell auf deutschen Straßen präsentiert wird. Sie verfolgten weltweit NS-Täter und führten sie der Justiz zu. Populär wurde Beate Klarsfeld durch die Ohrfeige, die sie 1968 Kanzler Kiesinger verpasste, der bis zum Sieg der Alliierten in der Rundfunkabteilung der NSDAP Karriere gemacht hatte. Im Interview mit der französischen Tageszeitung Figaro erklärte Serge Klarsfeld, dass er Marine Le Pens Rassemblement National anders als früher nicht mehr als Feind betrachte. In der ZEIT begründete er vor wenigen Tagen seine Einschätzung: »Für mich, der ich ein Überlebender der Shoah bin, ist eine rechtsextreme Partei notwendigerweise eine antisemitische Partei. Die DNA der Rechtsextremen ist der Antisemitismus. Von dem Augenblick an, in dem diese Partei, der Rassemblement National, nicht mehr antisemitisch ist, betrachte ich sie sie als eine rechte, radikale, populistische Partei. Aber nicht mehr als rechtsextrem. Sie gehört jetzt sagen wir es so, zum Kreis der republikanischen Parteien.«
Klarsfeld sieht Juden in Frankreich heute vor allem durch den erstarkenden Islam bedroht. Im deutschen Wohlfühl-Antifaschismus misst man dem Antisemitismus diese Bedeutung offenkundig nicht bei. Er firmiert vielmehr als Unterkategorie im Kampf gegen Rassismus und für mehr Vielfalt – wenn überhaupt. Immer öfter verschleiert der staatlich betreute Kampf gegen rechts – ob als Betriebspsychologie für die post-autoritäre Produktionsgemeinschaft oder als massenornamentales Lichtermeer – die Querfront zwischen islamischen Antisemiten und post-kolonialistischen Ideologen. Es gibt immer mehr Orte in Europa, die bereits eine Gefahrenzone für Juden sind: Schulen, Plätze, ja ganze Viertel. Die hier nonstop geschmähten osteuropäischen Länder zählen übrigens nicht dazu. In Ländern wie Frankreich, Schweden oder Deutschland hingegen eskaliert die Lage, ohne dass konsequent eingegriffen wird. Bisweilen entsteht der Eindruck, die frenetischen Anhänger einer postnationalen Willkommenskultur fordern die Einwanderung aus islamisierten Gegenden, gerade weil dadurch immer mehr Antisemiten herkommen.
Wie keine andere Religion koppelt der Islam die eigene Stellung an die Frage der Macht, an kriegerische Triumphe und Gebietsgewinne. Die Moderne bescherte den Gotteskriegern jedoch eine Niederlage nach der anderen. Mit dem Ende des Osmanischen Reiches brach das letzte Kalifat zusammen, das 20. Jahrhundert zementierte die ökonomische, technische und politische Überlegenheit des Westens. Der Islamismus beantwortet die damit verbundene Identitätskrise so, dass das eigene Unglück als Abfall vom Glauben gedeutet wird. Die Lösung lautet: Re-Islamisierung. Damit korreliert der Wahn, dass beim konstanten Scheitern übermächtige Kräfte im Spiel sein müssen: der kleine und der große Satan, Israel und die USA. Der Widerspruch zwischen angemaßter Omnipotenz und realer Impotenz ist der Nährboden für antisemitische Verschwörungstheorien.
Dass auch nach dem 7. Oktober unbeirrbar vor Islamophobie gewarnt wurde, bezeugt den Unwillen, sich mit der Spezifik der – als Palästinasolidarität getarnten – antisemitischen Gewalt zu beschäftigen. Das Stadtmagazin Journal Frankfurt bewarbeine Lesereihe der Initiative 9. November sogar wie folgt: »Gegen Antisemitismus und Anti-Islamismus«. Ungewollt sprach man aus, worauf die obligatorische Äquidistanz tatsächlich hinausläuft. Wenn man schon mit toten Juden mitleidet, dann bitte auch an die Islamisten denken. Weil sie zu verräterisch war, passte man die Überschrift kurz darauf feuilletonkompatibel an. Aus Anti-Islamismus wurde »Muslimfeindlichkeit«. Und alles war wieder in bester Ordnung.
Pars pro toto für antirassistisch daherkommenden Täterschutz steht der vom Bundesinnenministerium beauftrage Bericht zur Muslimfeindlichkeit in Deutschland. Auf 400 Seiten wird ausgeführt, wie herrlich und komplex der Islam sein soll. Die Bevölkerung sei bloß interkulturell zu wenig gebildet oder zu feindselig, um das dazu verstehen. Im Bericht werden Islamkritiker im Gestus der verfolgenden Unschuld denunziert. Dieses Mal mit erfreulichen Konsequenzen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat auf Antrag von Henryk M. Broder dem Ministerium untersagt, den Bericht auf seiner Homepage zu verbreiten.
Der weltanschauliche Aktivismus unserer Zeit verlangt unentwegt Geständnisrituale und autoritäre Staatsmaßnahmen, die die Behauptung, es gehe um den Schutz der Demokratie, unmittelbar konterkarieren. Zum ideologischen Gesamtpaket gehört das Glaubensbekenntnis, dass der Islam Frieden bedeutet – obwohl Unzählige tagtäglich das Gegenteil zu spüren bekommen. Nachdem vor einigen Tagen in Berlin ein jüdischer Student von einem sogenannten »propalästinensischen Kommilitonen« ins Krankenhaus geprügelt wurde, gab die zuständige Senatorin den Hinweis, dass die »Wissenschaft von Austausch und Internationalität« lebe und dass es – »natürlich« – »dann mal Konflikte auf dem Campus« geben könne. Ihr interkulturell korrektes Taktieren war derart infam, dass es unangenehm auffallen musste. Ein solcher Move ist der Sache nach jedoch nicht ungewöhnlich. Nicht in einer Gesellschaft, in der sämtliche Scheußlichkeiten goutiert werden, solange sie im Zeichen höchster Ideale geschehen und in der man mit dem Aufsagen von Signalwörtern wie »Austausch«, »Wissenschaft« oder »Internationalität« Karriere im postmodern verblödeten Universitäts- oder Politbetrieb machen kann.
Für den Erhalt der woken Glitzerfassade, die in Wirklichkeit eine Brandmauer gegen die Vernunft darstellt, nimmt die feine Gesellschaft in Kauf, dass Juden aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Mit anti-antisemitischen Lippenbekenntnissen, mit jeder Form der Heuchelei und auch den grotesken politischen Prioritätensetzungen ist Schluss zu machen. Die Vorstellung, Antisemitismus lasse sich pädagogisch entschärfen, hat sich längst an der Realität blamiert. Mehr reden, tiefer fühlen, ganz viel Prävention und noch mehr Antisemitismusbeauftragte – die entsprechenden Maßnahmen beweisen vor allem eines: dass sie nichts nützen. Vor allem nicht gegen Antisemiten, die es aus Leidenschaft sind. Ihnen rollte man seit Jahren die Gebetsteppiche aus, anstatt auch integrationspolitisch die Reißleine zu ziehen.
Antisemitismus ist kein Kolloquiumsthema. Antisemiten verfolgen ganz konkret und ausschließlich Juden, ihre Attacken zielen zugleich auf jedes zivilisierte Zusammenleben. Triumphieren die Antisemiten, die heute im Namen der palästinensischen Sache unterwegs sind, ist alles vorbei. François Pupponi, sozialistischer Bürgermeister von Sarcelles, proklamierte nach den antisemitischen Anschlägen von Paris: »Die französischen Juden glauben, dass sie in Frankreich keine Zukunft haben. Ich bitte sie, zu bleiben. Wenn sie gehen, ist Frankreich tot.« Seinen Worten ist – auch hier – wenig hinzuzufügen.
Thunder in Paradise
