Islamischer Antisemitismus ist islamisch

Dokumentation unserer Rede bei der Kundgebung der Leipziger Initiative gegen Islamismus, die am 21. Dezember 2018 vor der Leipziger Al-Rahman-Moschee abgehalten wurde. Alle weiteren Redebeiträge sind hier nachzulesen.


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,

wir demonstrieren heute gegen die Leipziger Zelle einer globalen islamisch-antisemitischen Bewegung: gegen die Al-Rahman-Moschee, deren Imam Hassan Dabbagh Juden als »Feinde des Islam« erachtet, die man im Dschihad bekriegen müsse.[1] Das sind klare Worte, die weder an der mörderischen Absicht noch an der religiösen Motivation Zweifel lassen – und die bekanntlich erschreckend häufig so oder so ähnlich auch woanders in Moscheen, an Familientischen und auf Schulhöfen fallen.

Wie eh und je muss das Offenkundige jedoch am vehementesten geleugnet werden. Illustrieren kann das ein kurzes Zitat: »Antisemitismus ist unislamisch.« Dieser Satz stammt weder aus einer Cultural Studies-Seminararbeit noch aus der Abschlusserklärung der vergangenen Islamkonferenz, sondern von Felix Klein, dem sogenannten Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung.[2] Begründet hat er ihn so: »Es gibt Stellen im Koran, die sehr judenfreundlich sind«, womit die anderen, sehr judenfeindlichen Stellen offenbar ihre Relevanz verlieren, ganz so als wäre ein Omelette aus faulen Eiern eben doch genießbar, bloß weil auch eins, zwei frische eingerührt sind.

Felix Klein schränkte seine Aussage anschließend ein, machte es damit aber keineswegs besser: Wenn auch keinen islamischen Antisemitismus, so gebe es doch immerhin einen »Antisemitismus unter Muslimen« – und dieser sei entstanden aus einer »Verbindung aus antisemitischen Narrativen im 19. und 20. Jahrhundert und der Entstehung des Staates Israel«. Wie genau sich Narrative mit einer Staatsgründung zu Antisemitismus verbinden können, bleibt sein Geheimnis, gemeint hat er aber wohl folgendes: In Reaktion auf die israelische Staatsgründung sei der aus Europa importierte Antisemitismus auch unter Muslimen verbreitet worden. Der »Antisemitismus unter Muslimen« habe folglich mit dem Islam an sich nichts zu tun.

Tatsächlich: Ein der christlichen und modernen Judenfeindschaft vergleichbarer Verschwörungsglaube war der islamischen Welt lange Zeit fremd, dennoch war die islamische Vormoderne kein Paradies der religiösen Toleranz, das erst durch die Kolonialmächte zerstört worden sei.[3] Juden waren über den gesamten Zeitraum islamischer Herrschaft hinweg dem diskriminierenden Dhimmi-Recht unterworfen. Weil sie überdies keine Waffen tragen durften, waren sie jedweden Angriffen schutzlos ausgeliefert. Seit Mohammeds Zeiten kam es immer wieder zu antijüdischen Verfolgungen, Zwangskonversionen und Pogromen.[4]

Der Schritt von diesem klassischen islamischen Antijudaismus zum modernen islamischen Antisemitismus vollzog sich vor dem Hintergrund der einbrechenden Moderne – und nicht, wie Felix Klein meint, erst mit der israelischen Staatsgründung. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts erahnten die Muslime aufgrund der sukzessiven Abschaffung des Dhimmi-Rechts die Gefährdung ihres eingebildeten Herrenmenschenstatus, der sie jahrhundertelang gegenüber Juden und anderen Ungläubigen privilegiert hatte. Im Vergleich mit dem Westen auf ganzer Linie den Kürzeren zu ziehen, bedeutete zudem eine schwer zu verwindende Kränkung des islamischen Allmachtanspruchs, die für die antisemitische Weltanschauung empfänglich machte. Hier liegt der kulturspezifische Boden, auf dem der moderne islamische Antisemitismus seine ersten giftigen Blüten trieb. Wird stattdessen der Antisemitismus kausal auf die staatliche Emanzipation des Judentums in Gestalt der israelischen Nation zurückgeführt, drückt sich darin schlicht die Forderung aus, dass zur Abschaffung des Antisemitismus die Juden auf ihren Dhimmi-Status zurückgeworfen werden sollen.

Im islamisch-antisemitischen Weltbild erscheinen Juden und Zionisten als bedrohliche Personifikationen von Zivilisation schlechthin, die die »heilige arabische Erde« dem Gesetz des Propheten, dessen Geltung in der Moderne ohnehin in die Krise geraten ist, entziehen wollen. Islamische Judenhasser sind getrieben vom Affekt gegen die als gefährliche »Verjudung« empfundene Säkularisierung. Die Trennung von Religion und Staat konnte in der islamischen Welt nie völlig vollzogen werden, denn die für Judentum und aufgeklärtes Christentum charakteristische Verinnerlichung der göttlichen Gebote war und ist durch den politischen Charakter der islamischen Religion blockiert: Voll verwirklicht ist der Islam nur dort, wo sein Gesetz – das wesentlich Strafrecht ist – nicht nur individuell eingehalten wird, sondern territoriale Macht innehat. Solche Landnahme wird nicht ohne Grund gefürchtet: Überall, wo der Islam heute herrscht, sind die Juden vertrieben worden oder leben gefährlich.

Der jüngste Aufschwung des bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden islamischen Antisemitismus hängt mit dem seit beinahe 50 Jahren anhaltenden Siegeszug des radikalen Islams zusammen. Dieser Siegeszug begann mit dem Ende des fordistischen Produktionssystems, also in einer Phase der Erosion nationalstaatlicher Strukturen, wovon die arabische Welt, die kaum staatsunabhängige Strukturen kannte, besonders hart getroffen war. Die vormalige Leitideologie des arabischen Nationalismus wurde beerbt vom islamischen Wiedererweckungsgedanken, demzufolge nur die Einigung der globalen Ummah die Juden und ihre Helfer davon abhalten könne, die Muslime in den Ruin zu stürzen.[5] Der islamische Antisemitismus ist insofern eine den objektiven Zerfall der Nationalstaaten reflektierende und beschleunigende antinationale Ideologie.

Verwundern müsste dementsprechend, wie verbissen der Antisemitismus als Alleinstellungsmerkmal rechter Nationalisten identifiziert wird, zwecks deren Bekämpfung man sich auch noch grüne und rote Antisemiten ins Boot holt, wie nicht zuletzt die Berliner #unteilbar-Demonstration bewiesen hat. Ein Dolchstoß-Vorwurf ergeht unterdessen an alle, die sich nicht dazu mobilisieren lassen, Seite an Seite mit Islamisten gegen rechts zu marschieren – und trifft mit besonderer Härte die Juden, zum Beispiel, wenn einige von ihnen sich nicht für den interreligiösen Dialog, sondern für die AfD engagieren. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass den Juden Gefahr vornehmlich vonseiten islamischer Antisemiten droht: Dass sich unter Muslimen weit mehr Antisemiten tummeln als unter Nicht-Muslimen ist eine statistisch erwiesene Tatsache.[6] Auch weiß man, dass Juden angeben, um ein Vielfaches häufiger von Muslimen beleidigt oder attackiert zu werden als von Nazis oder Linken,[7] und dass in diesem Jahrhundert in Europa alle antisemitischen Morde von Muslimen begangen wurden.[8]

Spätestens seit 2014 muss jedem halbwegs nüchternen Beobachter klar vor Augen stehen, dass der islamische Antisemitismus in Europa virulent geworden ist – unter Förderung durch eine tribalistisch-kulturalistische Ideologie, die muslimischen Immigranten eine Identität als hochmütiges Opferkollektiv zugesteht. Der infolge der islamischen Bedrohung stattfindende Massenexodus bislang nur der französischen Juden aber wird in Deutschland schulterzuckend hingenommen, während gleichzeitig antisemitischen Muslimen unter dem Vorwand von Dialogbereitschaft und Willkommenskultur die Gebetsteppiche ausgerollt werden und das Ganze auch noch als Lehre aus dem Holocaust verkauft wird. In Wahrheit teilt man das (als Israelkritik notdürftig bemäntelte) Ressentiment gegen die Zivilisation, das den Kern der antisemitischen Ideologie ausmacht. Im Land der Aufarbeitungsweltmeister steht man weder dem jüdischen Staat solidarisch zur Seite – stattdessen füllt man weiter die Kriegskassen seiner Todfeinde –, noch wird der Antisemitismus vor Ort entschieden bekämpft – sonst wäre diese Moschee hier längst geschlossen.

Thunder in Paradise

[1] »Imam hetzt gegen Juden«, in: Focus Online (07.09.2009), online unter: https://www.focus.de/magazin/archiv/islamist-imam-hetzt-gegen-juden_aid_433043.html

[2] »Antisemitismus ist unislamisch«, in: Welt Online (15.07.2018), online unter: https://www.welt.de/politik/deutschland/plus179337122/Extremismus-Antisemitismus-ist-unislamisch.html

[3] Beispielhaft für eine gewisse Schönrednerei sind Bernard Lewis’ Studie Die Juden in der islamischen Welt [1984], München: C.H. Beck 2004 sowie Léon Poliakovs Geschichte des Antisemitismus, Bd. III: Religiöse und soziale Toleranz unter dem Islam, Worms: Heintz 1979.

[4] Vgl. Mark R. Cohen: Unter Kreuz und Halbmond. Die Juden im Mittelalter, München: C.H. Beck 2005, S. 68-87; 161-167.

[5] Vgl. Moishe Postone: »Geschichte und Ohnmacht. Massenmobilisierung und aktuelle Formen des Antikapitalismus«, in: ders.: Deutschland, die Linke und der Holocaust. Politische Interventionen, hg. v. initiative kritische geschichtspolitik, Freiburg: ça ira 2005, S. 195-212, hier: S. 200-204.

[6] Vgl. z.B.: »Autoritäre Einstellungen von Jugendlichen unter Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit«, online unter: https://fowid.de/meldung/autoritaere-einstellungen-jugendlichen-unter-beruecksichtigung-religionszugehoerigkeit; Ruud Koopmans: Assimilation oder Multikulturalismus? Bedingungen gelungener Integration [Migration; Bd. 4], Berlin: LIT Verlag 2017, S. 184f; »The ADL GLOBAL 100: An Index of Anti-Semitism«, online unter: http://global100.adl.org/#map

[7] Andreas Zick et al.: Jüdische Perspektiven auf Antisemitismus in Deutschland. Ein Studienbericht für den Expertenrat Antisemitismus, Bielefeld: Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung 2017, online unter: https://uni-bielefeld.de/ikg/daten/JuPe_Bericht_April2017.pdf

[8] »Im 21. Jahrhundert wurden alle antisemitischen Morde in Europa durch Moslems begangen«, in: Jüdische Rundschau (13.12.2016), online unter: http://juedischerundschau.de/im-21-jahrhundert-wurden-alle-antisemitischen-morde-in-europa-durch-moslems-begangen-135910655/