Nazis sind out

Warum die Frankfurter Uni-Antifa das nicht begreifen will und ihr Nazi-Outing autoritäres Mobbing ist

Am 22. Januar 2019 stürmte eine Gruppe maskierter Antifas an der Frankfurter Universität eine Vorlesung in klinischer Psychologie, um eine Studentin als Mitglied der rechtsradikalen Identitären Bewegung zu »outen«. Das ging so: Die selbsternannten Campusschützer enterten lärmend den Hörsaal, stellten die Betreffende namentlich bloß und verteilten ein Flugblatt, in dem nicht nur Name und Adresse der »Täterin« genannt wurden, sondern in dem alle anderen Studenten gleichsam dazu ermuntert wurden, der nun im Fokus des antifaschistischen Volkszorns Stehenden bei einem »zufälligen Treffen« zu zeigen, was von »rechtsradikalen AkteurInnen« zu halten sei.

Für dieses triumphale öffentliche Vorführen einer einzelnen Studentin inklusive des mitgelieferten Aufrufs zur Gewalt erwartete die heroisch kämpfende Krawalltruppe wohl eine ordentliche Portion Anerkennung von allen Beobachtern des Treibens, schließlich verhinderte man mit diesem Einsatz gegen die hochgefährliche Psychologie-Studentin mit identitärem Fimmel mal wieder die Aufrüstung zum Vierten Reich oder Schlimmeres.

Wer heute gegen rechts aufmuckt, kann damit rechnen, Applaus von allen Seiten zu bekommen, zumal an der Frankfurter Uni, wo Rechtsradikale vor allem eines sind: Exoten, die wirklich keiner mag. Zum Ärger derer, die gehofft hatten, die Mehrheit gegen eine Einzelne mobilisieren zu können und am Ende auch noch ein bisschen Heldenverehrung einzustreichen, gab es dieses Mal jedoch prompt eine sanfte Manöverkritik. Anscheinend waren nicht alle Anwesenden begeistert von der asozialen Aktion, und auch die Fachschaft Psychologie veröffentlichte kurz nach dem Vorfall auf Facebook eine Stellungnahme, in der sie sich zwar pflichtschuldig für den »Widerstand gegen rechtsradikale Gruppierungen und Bewegungen«, aber gegen »eine politische Praxis, die die Grundrechte der politischen Gegner*innen (wie das auf körperliche Unversehrtheit) missachtet«, ausspricht, den Angriff also verurteilt.[1] Wie zu erwarten, hatte sie damit sofort den digitalen Flügel der radikalen Uni-Linken am Hals, der das Outing in zahlreichen Kommentaren mit dem immergleichen larmoyanten Geschwafel verbissen verteidigte: Durch ihre mangelnde Begeisterung für linkes Faustrecht betreibe die Fachschaft »Täter-Opfer-Umkehr«, überhaupt sei es »bestürzend«, dass sie »sich mehr über eine Outing-Aktion empört als über eine Faschistin als Kommilitonin« und so weiter.

Vor allem wurde der Fachschaft, die nach eigenen Angaben wusste, dass es da eine rechtsradikale Psychologiestudentin gibt, aber noch nicht ausdiskutiert hatte, wie mit der Störenfrieda umzugehen sei, unterlassener Aktionismus vorgehalten. Insgesamt sprach aus den zahlreichen Kommentaren die Überzeugung, dass die bloße Anwesenheit einer Studentin, die in der Identitären Bewegung organisiert ist, eine akute Gefahr für Leib und Leben aller nicht-weißen Kommilitonen darstellt, von der drohenden Faschisierung der Uni ganz zu schweigen.

Besonders solidarisch mit den – bislang nur vermuteten – Opfern der rechtsradikalen Täterin zeigte sich der bei der Bildungsstätte Anne Frank beschäftigte Tom Uhlig, der das in der ganzen Affäre angelegte Marketingpotenzial sofort erkannte und die Gelegenheit nutzte, um – so aufdringlich wie sonst nur für Einkaufsläden oder Sekten anstellige Flyerverteiler auf der Zeil – Werbung für ein Projekt seines Arbeitgebers zu machen: »Es handelt sich [hier] um eine organisierte Neonazistin, deren menschenverachtender Ideologie eure Kommiliton*innen nicht unwissend ausgesetzt sein sollten. Wenn jemand Hilfe braucht oder Diskriminierung erfahren hat, würde ich empfehlen, sich an professionelle Beratungsstellen, wie das wenige Straßen entfernte Beratungszentrum Response zu wenden, anstatt bei Kommiliton*innen danach zu suchen, die wie hier gezeigt derart um TäterInnenschutz bemüht sind.«

Angesichts der mal keifenden, mal klagenden Wutbürger unter ihrem zumindest halbwegs vernünftigen Post gab die Facebook-Moderation der Fachschaft Psychologie schließlich teilweise nach und entschuldigte sich wiederholt dafür, dass man nicht selbst Maßnahmen gegen die inkriminierte Studentin ergriffen hatte – ganz so, als sei es die Aufgabe der Fachschaft, jeden einzelnen Psychologiestudenten regelmäßig einem Gesinnungscheck zu unterziehen und im Falle rechter Abweichungen die Gemeinschaft der guten Studenten zu informieren. Kurz darauf veröffentlichte auch der vor der antifaschistischen Diskursmacht stets kuschende AStA ein Statement, in dem er die Stürmung der Vorlesung guthieß.[2]

Nun steht die Behauptung, dass im Fach Psychologie eine rechte Studentin andere non-stop der von ihr vertretenen »menschenverachtenden Ideologie« aussetzt, in offensichtlichem Widerspruch zur Praxis eines »politischen Outings«. Denn eine Identitäre, die ihre rechte Gesinnung an der Universität tatsächlich offensiv propagierte oder Kommilitonen drangsalierte, bräuchte man nicht als Privatperson zu beschnüffeln, um sie dann zu outen. Fast alle im Flugblatt aufgelisteten Vergehen der rechtsradikalen Missetäterin haben aber mit ihrer Rolle als Studentin nichts zu tun: Neben der Mitgliedschaft in der IB und der Teilnahme an Demonstrationen geht es dort zum Beispiel um ihren Freund, der bei der AfD ist, und den Besuch von Nazi-Musikkonzerten. Dieses den Verfassungsschutz ehrenamtlich imitierende Nachstellen ist nur deshalb notwendig, weil die attackierte Studentin an der Uni zwar Vorlesungen besucht, aber dort politisch bisher nicht nennenswert in Erscheinung getreten ist – und das dürfte gute Gründe haben. Wie angesagt Rechtsradikalismus in Frankfurt ist, konnte man exemplarisch im Januar 2015 beobachten, als der Versuch unternommen wurde, in der Stadt eine Pegida-Demonstration zu organisieren. Die ca. 70 Teilnehmer mussten damals polizeilich vor gut 15.000 Gegendemonstranten geschützt werden.[3] Dass die Mehrheitsverhältnisse ausgerechnet auf dem Campus für die linke Gemeinde ungünstiger sein sollen, kann man keinem halbwegs vernünftigen Menschen erzählen. Dass sich die geoutete Studentin laut Antifa-Angaben mit einem T-Shirt der italienischen Casa Pound-Faschos auf den Campus getraut hat, ist dementsprechend eher selbst- als fremdgefährdendes Verhalten. Denn die Universität wird von der auf dem Campus hegemonialen Linken nicht als öffentlicher Raum begriffen, in dem zivilisierte Umgangsformen anstelle des Rechts des Stärkeren gelten, sondern als eine Art Verlängerung der eigenen Wohngemeinschaft, in der die Antifa qua moralischer Übermacht Hausrecht hat und Leuten nicht nur aufgrund ihres Verhaltens, sondern schon wegen der falschen Gesinnung das Recht absprechen darf, überhaupt da zu sein.

Das Outen von Rechtsradikalen an der Goethe-Uni, die dort erfreulicherweise nichts zu melden haben, ist purer Gratismut, politisch sinnlos und offenbart außerdem die besorgniserregende Unfähigkeit zu kapieren, was eine Universität ausmachen sollte. Unbewusst dürften für das Treiben der alarmschlagenden Denunziantencrew dann auch nicht die hehren Motive maßgeblich gewesen sein, die sie selbst angegeben haben, sondern ganz andere. Was sich letzten Dienstag in Bockenheim zu erkennen gab, war eine Mischung aus jener moralischen Selbstüberhöhung, die Linke immer dann besonders penetrant zur Schau tragen, wenn sie gerade in Überzahl gegen Leute vorgegangen sind, die sie zu Recht oder zu Unrecht als Faschisten ausgemacht haben, postpubertärer Lust an der eigenen Pseudoradikalität, und nicht zuletzt dem ans Schulhofmobbing erinnernden sadistischen Bedürfnis, es einer verhassten und in der konkreten Situation völlig isolierten Person vor versammelter Meute mal so richtig zu zeigen. Dafür spricht jedenfalls die Stellungnahme zur eigenen Aktion, die das Outing-Kommando nach getaner Arbeit im Internet hinterlassen hat: »Heute Mittag haben wir mit einigen Antifaschist*innen eine Vorlesung von Raphaela Huber auf dem Campus Bockenheim besucht, ihre Komiliton*innen über ihr rechtsextremes Treiben aufgeklärt und Flyer an alle Teilnehmer*innen des Seminars verteilt. Ganz besonders hat uns gefreut, dass Raphaela dabei auch anwesend war«,[4] heißt es da hämisch, und das Feixen der Antifa-Bullies kann man sich dazu nur allzu gut vorstellen.

Zu hoffen bleibt, dass diejenigen, die erkannt haben, dass es der antifaschistischen Mobbing-Gang in erster Linie ums Fertigmachen und die damit verbundene kollektivnarzisstische Lust der Überlegenheit geht, sich nicht einschüchtern lassen, sondern Veranstaltungsstörern künftig noch deutlicher machen, dass ihnen das Studium in einigermaßen zivilisierten Verhältnissen wichtiger ist als Zuspruch von linkstotalitären Hilfssheriffs, die in Wahrheit vor allem kleine Wichtigtuer sind.

Die aufwändige Outing-Aktion vom letzten Dienstag bezeugt indessen auch eine grundsätzliche Fehljustierung nicht nur der Frankfurter radikalen Linken im selbsterklärten antifaschistischen Kampf. Wer in Frankfurt wohnt und sich unbedingt mit Faschisten anlegen möchte, die nicht ohnehin politisch weitestgehend erledigt sind und ihre Gesinnung deshalb an der Uni und anderswo weitgehend für sich behalten, der sollte nicht irgendwelchen lokalen IBlern hinterherrecherchieren, sondern entweder in den Osten übersiedeln, wo es für antifaschistische Abenteurer Gegenden gibt, in denen praktischer Antifaschismus womöglich Sinn ergibt, weil man es wenigstens mit einem ernstzunehmenden Gegner zu tun hat, oder sich mal näher mit der örtlichen Islamistenszene befassen, die in Frankfurt unvergleichlich umtriebiger und größer ist als das Milieu der Identitären Bewegung. Damit jedoch wird auch in Zukunft nicht zu rechnen sein. Nicht nur, weil dies eine politische Analyse der Gegenwart voraussetzen würde, die über moralistischen Alarmismus gegen AfD und Co. hinausgehen müsste. Die praktische Kritik des Islamfaschismus wäre zudem nicht nur nicht mehrheitsfähig, sondern könnte auch dazu führen, dass man es anstelle einer isolierten Frau mit Leuten zu tun bekommt, die tatsächlich eine Gefahr darstellen.

Thunder in Paradise

[1] https://www.facebook.com/fachschaftpsychologieffm/posts/2360523197501479

[2] https://www.facebook.com/astafrankfurt/photos/a.215355445171158/2743720515667959/

[3] https://www.op-online.de/region/frankfurt/pegida-frankfurt-protest-gegen-fragida-frankfurt-4675489.html

[4] https://de.indymedia.org/node/28440