Rödelheimer Rotzlöffel

Manchen Leuten ist das Lügen in Fleisch und Blut übergangen. Ein anschauliches Beispiel sind die Damen und Herren von der Frankfurter Pöbeltruppe Free Palestine FFM, die am einen Tag behaupten, dass sie »für den Frieden« sind, und am anderen die Intifada, also blutrünstigen Judenmord, bejubeln. Ihre jüngste Kampagne findet sich unter der Autorschaft von Studierende gegen Rassismus an der Uni auf einem Flugblatt, das am 30. April an der Uni Frankfurt verteilt wurde und zur Störung eines vom AStA am selben Tag veranstalteten Vortrags mit Tjark Kunstreich zum Thema »Das Elend der Einzelnen« mobilisieren sollte.

Im Flugblatt heißt es, die Veranstaltung bezwecke, »muslimischen Geflüchteten ihren Fluchtgrund abzusprechen und sie pauschal als Islamisten und Terroristen zu diffamieren. […] Dabei werden alle Geflüchteten, die vor Krieg, Terror und Armut fliehen als Islamisten pauschalisiert.« (1) Unklar bleibt, warum bereits »Geflüchtete« immer noch »fliehen«, aber um logische Feinheiten sind die Autoren nicht bekümmert: Offen bleibt schließlich auch, ob nun alle oder nur die muslimischen Flüchtlinge von Kunstreich als Islamisten bezeichnet werden. Dass Lügner es nicht mit der Wahrheit halten, ist bekannt. Wenn sie dann aber auch noch inkonsistent lügen, outen sie sich obendrein als Idioten. Tatsächlich hat Tjark Kunstreich weder alle noch alle muslimischen »Geflüchteten« als Islamisten bezeichnet, sondern einige Flüchtlinge – nämlich die Islamisten unter ihnen. Dass solche Differenzierungen untergehen, wo »die Flüchtlinge« oder »die Geflüchteten« als abstraktes Kollektiv firmieren, wurde bereits im Ankündigungstext als Thema seines Vortrags benannt:

»Für dieses Kollektiv […] wird, vollkommen unabhängig von Fluchtgründen und Lebenszielen, Respekt und Anerkennung gefordert, gleichgültig, ob es sich um einen islamistischen Mörder handelt, der mit drei Ehefrauen aus dem Islamischen Staat einreist, weil er einen Auftrag bekommen hat, oder einen Homosexuellen, der aus der gleichen Gegend geflohen ist, weil sein Geliebter hingerichtet wurde und der selbst um sein Leben fürchtet.« (2)

Den Flugblatt-Autoren hingegen steht der Sinn nach Respekt für alle Flüchtlinge – also auch den Islamisten unter ihnen: »[S]tatt zu versuchen Ansätze zu entwickeln, wie man Geflüchtete zu einem kollektiven Kampf für ihre Rechte organisieren kann, trennt man in ›gute‹ und ›schlechte‹ Geflüchtete. […] Wir sagen immer noch: Refugees Welcome! All Refugees!« Hätte Anis Amri doch nur rechtzeitig erfahren, dass auch er beim kollektiven Kampf von Rödelheimer Politik-Darstellern mitrödeln darf!

Das islamisch-antiimperialistische Bündnis, das diesen Murks verfasst hat, tauchte tatsächlich zum abendlichen Vortrag auf – zwar mit einiger Verspätung und zugehört haben sie auch nicht richtig, aber was sie mitbekommen haben, dürfte ihnen nicht gefallen haben: Kunstreichs Vortrag war nämlich, anders als von ihnen erhofft, natürlich keineswegs rassistisch. Stattdessen wurde Rassisten und Antirassisten eine Gemeinsamkeit attestiert:

»Die Fremdenfeinde brauchen die Fremden, um sich selbst nicht fremd zu sein. Am Fremden können sie wenigstens bestimmen, wer sie selbst sind, und die Feindseligkeit, die sonst den eigenen verborgenen Wünschen gelten müsste, strukturiert die säuberlichen Trennung des Eigenen und des Fremden. Allein diese Struktur ist nicht stabil und die Möglichkeit der Integration – individuell wie gesellschaftlich – zeigt an, dass die Kenntnis des Fremden Feindseligkeit verringert. Rassisten und Antirassisten hingegen verabsolutieren die Fremdheit kulturell oder biologisch. Brauchen die Antirassisten ein Subjekt, das sie unterstützen können, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, benötigt der Rassist ein Subjekt, dem er sich überlegen fühlen kann, um das Ausmaß der Fremdheit in ihm in einem unveränderlichen Anderen zu kontrollieren. Gemeinsam ist ihnen, Unterschiede zu verewigen und Abschied zu nehmen vom Begriff der einen Menschheit, also von der universalistischen Perspektive, die nicht Unterschiede, sondern Ähnlichkeiten hervorhebt und dem Wiedererkennen im Anderen den Vorrang einräumt.« (3)

Im weiteren Verlauf stellte Kunstreich mehrere Patientenbiografien aus seiner psychoanalytischen Arbeit mit Flüchtlingen vor und zeigte auf, dass vereinheitlichende Kategorien wie »Kultur« daran scheitern, die Situation der Einzelnen zu fassen, in welchem Maß Psychoanalyse dem Individuellen der Traumatisierten gerecht wird und welchen politischen – nämlich antitotalitären, also vor allem auch antiislamischen – Gehalt der konfliktreiche Prozess der Individualisierung hat:

»Um das Elend der Einzelnen überhaupt zu registrieren, bedarf es gegenwärtig einiger Anstrengung, die über bloße Einfühlung hinausgeht; widersprüchlicherweise geht es nicht nur darum, anzuerkennen, dass es sich um Einzelne handelt, sondern es ist die Abstraktion von den politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten aufs Individuum, die gefordert ist. Bloß die Verhältnisse auszuschließen, versperrt den Blick auf die Einzelnen ebenso wie ihre bloße Reduktion auf Herkunft, Religion, Geschlecht usw. Erweiterung der inneren und äußeren Bewegungsfreiheit ist im Einzelfall die konkrete Aufgabe, die zugleich ein antitotalitärer Auftrag ist: Indem die Einzelnen beginnen, sich als Individuen wahrzunehmen, werden sie immun gegen die islamische Zurichtung, wie französische Psychoanalytiker gezeigt haben. Dieser Prozess ist aber, wie ich darzustellen versucht habe, ein schmerzhafter – wie bei jedem anderen Einzelnen auch –, und er wird zusätzlich erschwert durch Staat, politisches Geschäft und Ideologie.  Die Rückbesinnung auf eine radikale Individualisierung, scheint mir im Moment der einzige Weg neben der notwendigen polizeilichen und militärischen Konfrontation zu sein, der der inneren und äußeren Abwehr des aufziehenden totalitären Zeitalters nicht etwa Resilienz-, sondern Resistenzvermögen zu verleihen vermag. Das hat aber zur Voraussetzung, sich wiedererkennen zu können – allerdings nicht in der bloßen Identifikation mit dem Opfer, zu dem jemand gemacht wurde, vielmehr aber in der Möglichkeit: das hätte unter anderen Umständen auch ich sein können.«

Wer diesen Vortrag, der explizit für die Verbesserung der elendigen Situation geflüchteter Individuen gehalten wurde, ernsthaft als rassistisch bezeichnet, kann nicht alle Latten am Zaun haben, möchte man meinen. Manchen Leuten aber ist das Lügen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie gar nicht glauben können, dass andere sagen, was sie meinen – und meinen, was sie sagen. Auch hierfür geben die Frankfurter Palästina-Freunde ein schlagendes Beispiel ab. Direkt nach Beendigung des Vortrags platzte es aus dem Störkommando heraus: Was der eigentliche Zweck dieses Vortrags sei, welche unausgesprochene Absicht der Referent verfolge, was seine heimliche Agenda sei und wo die politische Message, wollten sie wissen. Es war ein bemitleidenswerter Akt der Verzweiflung: Begierig hatten die Antirassisten auf einen rassistischen Skandal gehofft, bekamen dann aber doch nur ein Plädoyer gegen den Kulturalismus zu hören, den sie selber auch noch mit den Rassisten teilen sollen. Aber anstatt sich einzugestehen, dass sie mit dem Popanz aus dem Flugblatt daneben lagen, und traurig abzuziehen, suchten sie aggressiv die Schuld beim Referenten, der ihnen ein rassistisches Bekenntnis schuldig geblieben sei. Weil ihnen scheinbar nur die Flucht nach vorne blieb, initiierten sie die Farce eines stalinistischen Schauprozesses. Als Erste preschte die bekopftuchte Islam-Aktivistin Sanna Hübsch vor, wollte schlussendlich aber lieber über ihr Lieblingsthema sprechen (»Ist der Islam schuld an allem, oder was?«); als Nächste gab sich Aitak Barani (Zusammen e.V., Free Palestine FFM) die Ehre und irritierte mit delirantem Geschwätz über die Gefahr von pro-zionistischen »Zwangskollektiven« und »Glaubensgemeinschaften«. Die unaufhörlich von massivem Geschrei begleitete »Diskussion« gipfelte in der Proklamation: »Mit solchen Veranstaltungen wie hier muss man meiner Meinung nach umgehen wie mit allen anderen Nazi-Veranstaltungen auch!«

Nachdem die Störer die Gelegenheit bekommen hatten, sich vor dem restlichen Publikum zu blamieren, wurde die Veranstaltung beendet. Zwar ist deren Versuch, sich als ehrenhafte Antirassisten aufzuspielen, gründlich gescheitert – immerhin setzten sie sich dem Gelächter und den Gegenreden der übrigen Anwesenden aus –, aber das Verunmöglichen einer gesitteten Diskussion zwischen dem Referenten und dem interessierten Teil des Publikums ist ihnen nichtsdestotrotz gelungen. Die Verhinderung solcher Szenarien müsste eigentlich die selbstverständliche Aufgabe von Organisatoren ideologiekritischer Vorträge sein.

Das AStA-Mitglied, das die Veranstaltung offiziell organisiert hatte und ganz genau wusste, dass eine Störung droht, seit der AK 8. Mai bereits am 20. April den Vortrag als den »nächsten Knaller« in einer Reihe »rassistischer« Events bezeichnet hatte (4), glänzte am Veranstaltungstag jedoch durch Abwesenheit – und vermied es somit, dem Angriff auf seine Veranstaltung Einhalt zu gebieten. Anschließend veröffentlichte der AStA eine Stellungnahme (5), in der weder die Täter noch deren Lügen benannt werden. Stattdessen wird das Geschrei der Linksfaschisten als »Redebeiträge in der Diskussion« – und nicht etwa als deren Verhinderung – bezeichnet. Ihr einziges Vergehen sei es gewesen, dass sie »das Thema des Vortrags […] als unpolitisch beschimpft« haben – und nicht etwa den Vortragenden als Nazi. Schlussfolgernd heißt es: »Erst durch die Störenden(!) offenbarte sich uns die Notwendigkeit weiterer solcher Vorträge« – womit implizit gesagt ist, dass der Vortrag ihnen zuvor nicht notwendig erschien, was zumindest erklärt, warum der Veranstalter sich während des Vortrags lieber andernorts die Beine vertrat.

Die Stellungnahme des AStA enthält keinerlei Androhung von Konsequenzen; Hausverbote gegen die aufgetretenen Gruppen und Personen werden nicht einmal in Erwägung gezogen. Stattdessen bietet sie im Kommentarbereich exakt den Figuren, die die Veranstaltung sabotierten, die Gelegenheit, ihre Lügen weiter zu verbreiten. Dass in Folge der schleichenden Verblödung der linken und antideutschen Szene in Frankfurt selbst Ex-Genossen wie »Udo Jonas Strass« sich diesem Mob als linksantideutsche Kronzeugen gegen Rechts andienen, zum Beispiel indem sie den Antisemiten bescheinigen, in ihrem Flugblatt gegen Tjark Kunstreich richtig zu liegen, schafft zwar klare Verhältnisse, bleibt aber nichtsdestotrotz besorgniserregend. Diese »Diskussion«, die der AStA auf seiner Facebook-Seite duldet und unterstützt, indem der Vorstand nämlich fröhlich mitdiskutiert anstatt die Hetzer zu sperren, ist nichts als die Fortsetzung des Tribunals in digitaler Form.

Die Vorgänge um die Veranstaltung führen aufs Neue vor, wie das unbewusste Bündnis von Antiimperialisten und »Linksantideutschen« gegen die Redefreiheit funktioniert: Während die einen gegen »Islamhasser und Antifeministen« (6) offensiv zur Tat schreiten, billigen die anderen deren Aktionen durch Schweigen, Häme über die Geschädigten und Diskursangebote an die Täter.

Thunder in Paradise

  1. Flugblatt »Wir dulden keinen Rassismus an der Uni – auch nicht vom AStA!«
  2. http://beta.redaktion-bahamas.org/termin/2018/04/30/das-elend-der-einzelnen/
  3. Das Vortrags-Manuskript sowie ein Audio-Mitschnitt der gesamten Veranstaltung liegen uns vor.
  4. https://www.facebook.com/AKachtermai/posts/1622313817889406 sowie http://achtermai.org/2018/04/20/t-i-p-retter-des-abendlandes-neue-bald-zeitung/
  5. https://www.facebook.com/astafrankfurt/posts/2208246572548692
  6. Flugblatt »Wir dulden keinen Rassismus an der Uni – auch nicht vom AStA!«