Vortrag & Diskussion mit Philippe Witzmann (Berlin)
23. April 2022, 19:00 Uhr, Saalbau Bornheim, Arnsburger Str. 24
Der in China längst zur dystopischen Realität gewordene Wunschtraum totalitärer Herrschaft, die postdemokratische Technokratie, nimmt auch im Westen Kontur an. Hier schickt sich ein saturiertes akademisches juste milieu an, den mitunter bis zur manifesten Paranoia gesteigerten Reinheits- und Gesundheitsfimmel an parlamentarischen Auseinandersetzungen und rechtsstaatlichen Verfahren vorbei als allgemeinverbindliche Norm durchzusetzen. In ihrem Eifer, die Gesellschaft zum sterilen Patientenkollektiv rigoros »umzubauen«, übertrumpfen die zivilgesellschaftlichen Erneuerer mitunter noch die Staatsapparate, von denen sie abhängen.
Der Vortrag wird den inzwischen zum guten urbanen Ton gehörenden postmateriellen Verzicht auf Konsum und Genuss in den Blick nehmen, der nur scheinbar ein Akt der Selbstverwirklichung ist. Gesellschaftliche Grundlage des neuen Minimalismus ist in Wahrheit der wachsende ökonomische Druck, der die Angst aller befeuert. Darüber hinaus wird es um den als Lebensschutz maskierten szientistischen Frontalangriff auf jegliche Form zivilisierten Zusammenlebens im Angesicht von Klima- und Coronapanik gehen, deren Virulenz ebenso als autoritärer Ausdruck realer, aber unbewusster materieller Abstiegsängste zu begreifen ist. Im Fokus des Vortrags stehen also jene zur Alltagsideologie erstarrten moralphilosophischen Selbstverständnisse, die wesentlich dazu beitragen, dass die (post-)bürgerlichen Subjekte unter wechselnden politischen Kampagnen zu verfolgungswilligen Rackets regredieren, statt sich in selbstbewusster Kooperation zum historischen Subjekt zu erheben.
Philippe Witzmann ist Psychologe, lebt in Berlin, hat Texte zu diversen Themen in der Zeitschrift Bahamas veröffentlicht und als echter Mamil demnächst alle relevanten Alpenpässe mit dem Rennrad überquert.
Eintritt: 3€.
Die Veranstaltung ist Teil der Vortragsreihe Staat – Gesundheit – Subjekt.